Abschluss des Editionsprojektes »Praxis Pietatis Melica«

Edition und Dokumentation der Werkgeschichte

Titelkupfer der Praxis Pietatis Melica

Mit den beiden jüngst erschienenen Bändern ist die nun sechs Bände umfassende DFG-geförderte und von Dr. Hans-Otto Korth und Dr. Wolfgang Miersemann herausgegebene Edition von »Johann Crüger: Praxis Pietatis Melica« abgeschlossen.

Damit wurde eines der wichtigsten Gesangbücher des 17. Jahrhunderts erschlossen, das auch für den aufstrebenden Pietismus von Bedeutung war. Viele seiner Lieder gehören heute zu den vertrautesten schlechthin. Johann Crüger (1598–1662) war Kantor an der Berliner Nikolaikirche und kann fast als der Entdecker Paul Gerhardts (1607–1676) bezeichnet werden, der eine der dortigen Pfarrstellen innehatte. Mehrheitlich erschienen Paul Gerhardts Lieder in der Praxis Pietatis Melica zum ersten Mal.

Die Bände I/1 und I/2 bilden den ‚Auftakt‘ dieser Edition und bieten den kritisch edierten Text der letzten von Johann Crüger (1598–1662) selbst besorgten Ausgabe des Werkes, der »EDITIO X.« von 1661, die mit ihren 550 Liedtexten das gesangbuchgeschichtliche Vermächtnis des Berliner Nikolaikantors darstellt. Die in der »EDITIO X.« fehlende Bassbezifferung wurde nach anderen Ausgaben ergänzt. Im begleitenden Apparat (Band I/2) unterrichten Verbreitungs- und Variantenverzeichnisse zu den einzelnen Liedern über ihre Vorkommen in den vorangehenden Ausgaben der Praxis Pietatis Melica; wo nötig und möglich, werden auch andere begleitende Veröffentlichungen aus Johann Crügers Umfeld aufgeführt. Er bietet ferner ergänzende bibliographische Angaben, Quellenverweise, Druckbeschreibungen und nicht zuletzt Anmerkungstexte zur Liedgeschichte und Analysen von Texten und Liedern. Diejenigen Texte und Liedsätze aus früheren Ausgaben, die nicht in die »EDITIO X.« und damit in den Band I/1 gelangten, werden zusammengestellt nachgereicht.

Das berühmte Gebetbuch von Johann Habermann (1516–1590), erstmals 1567 gedruckt und seitdem immer wieder neu und verändert herausgebracht, erscheint hier als Anhang zu Johann Crügers Praxis Pietatis Melica als dessen letzter zu Crügers Lebzeiten erschienenen »EDITIO X.« von 1661 (Band I/3). Damit ist der Text Teil des Editionsprojekts und trägt zum Verständnis des einflussreichen Gesangbuches bei. Somit erscheint die Edition auch als Beitrag zur Rezeptionsgeschichte des Habermann-Gebetbuches, deren vollständige Erfassung nach wie vor aussteht und auf Beiträge wie den jetzigen angewiesen ist.

Der Band II/1 gliedert sich noch einmal in zwei Teilbände. Er bietet zum einen eine Bibliographie mit Bild- und Textdokumenten; diese erschließt die als eines der erfolgreichsten Werke der Gesangbuchgeschichte geltende Liedsammlung erstmals in der Vielzahl und Vielfalt ihrer in vier Editionsreihen erschienenen Ausgaben. Die umfassende Darstellung der Frontispize, Kupfertitel und weiterer Kupferstiche der unterschiedlichen Ausgaben sowie die Vorstellung von Textdokumenten, wie beispielsweise Vorredentexte, ermöglichen einen umfassenden Einblick in diese höchst komplexe Werkgeschichte. Zum anderen bietet der zweite Teilband die Dokumentation des einzigen Druckes der Edition, in dem die Lieder des Gesangbuches vierstimmig ausgeführt worden sind. Jacob Hintze, der nach dem Tode von Johann Crüger das Gesangbuch weiter herausgegeben hat und als Stadtmusiker in Berlin wirkte, besorgte diese Ausgabe.

Der die Edition abschließende Band II/2 enthält Nachweise zum Vorkommen von mehr als 3.100 Kirchenliedern in deutscher und lateinischer Sprache in 56 Ausgaben der Praxis Pietatis Melica aus den Jahren 1640 bis ca. 1737 und in ihren beiden Begleitpublikationen aus den Jahren 1649 und 1670. Er liefert damit erstmals in dieser Form die Möglichkeit, die Verwendung bzw. Nicht-Verwendung dieser Lieder in einem der bedeutendsten Gesangbücher des 17. und 18. Jahrhunderts nachzuvollziehen. Diese Übersicht stellt darüber hinaus einen repräsentativen Querschnitt durch das geistliche Liedrepertoire dieser Zeit dar, welches nicht nur Lieder der Reformationszeit und der lutherischen Orthodoxie umfasste, sondern sich vor allem auch durch zahllose textliche wie melodische Neuschöpfungen auszeichnete.

Edition:
Johann Crüger: Praxis Pietatis Melica. Edition und Dokumentation der Werkgeschichte. Im Auftrag der Franckeschen Stiftungen zu Halle herausgegeben von Hans-Otto Korth und Wolfgang Miersemann unter Mitarbeit von Maik Richter.
Bd. I/1: Johann Crüger: Praxis Pietatis Melica. EDITIO X. (Berlin 1661). Teil 1: Text. Halle 2014.
Bd. I/2: Johann Crüger: Praxis Pietatis Melica. EDITIO X. (Berlin 1661). Teil 2: Apparat. Halle 2015.
Bd. I/3: Johann Habermann: Gebätbüchlein. Berlin 1661. Text und Apparat. Halle 2017.
Bd. II/1.1: Praxis Pietatis Melica. Bibliographie mit Bild- und Textdokumenten. Halle 2024.
Bd. II/1.2: Praxis Pietatis Melica. EDITIO XXIV. Berlin 1690. Dokumentation der von Jacob Hintze herausgegebenen 392 vierstimmigen Liedsätze. Halle 2024.
Bd. II/2: Praxis Pietatis Melica. Tabellarische Übersicht über die Entwicklung des Liedbestands. Halle 2016.

Projektleitung: Dr. Thomas Müller-Bahlke, Dr. Britta Klosterberg
Projektbearbeiter: Dr. Wolfgang Miersemann, Dr. Hans-Otto Korth, Dr. Maik Richter
Projektdauer: 1.5.2011 bis 30.4.2015