Zur Geschichte der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen
Die ersten Spuren der Bibliothek finden sich bereits 1698, im Gründungsjahr der Franckeschen Stiftungen. In seiner Darstellung über die Entstehung der Stiftungen von 1709 berichtet August Hermann Francke über Bücherspenden und seinen Wunsch "daß mit der Zeit verhoffentlich eine gute Bibliothek daraus werden kann". Da es für die Bibliothek kein Budget gab, war sie bis ins 19. Jahrhundert auf die Buchproduktion des Verlags des Waisenhauses angewiesen, auf Tauschgeschäfte und auf Schenkungen und Nachlässe.
Die ersten bedeutenden Erweiterungen erfuhr die Bibliothek in den Jahren 1704 bis 1708 durch Nachlässe dreier Theologen: Friedrich Breckling (1629-1711), Johann Friedrich Ruopp (1672-1708) und Justus Lüders (+1708). In den Jahren 1719 und 1721 gelangten die bedeutenden Sammlungen des Barons Carl Hildebrand von Canstein (1667-1719), des Begründers der Cansteinschen Bibelanstalt, und des Magisters Andreas Achilles (1656-1721) in die Stiftungen. Im Jahre 1721 waren bereits 18.000 Bände zusammengekommen und die Räumlichkeiten im Hauptgebäude der Stiftungen reichten nicht mehr aus.
Im Jahre 1728 konnte das heute noch existierende Bibliotheksgebäude fertig gestellt werden, das über theaterkulissenartig in den Raum gestellte Regale verfügt. Hohe Zeit, denn trotz fehlendem Etat und einer lediglich ehrenamtlichen Leitung u.a. durch den Theologen Johann Heinrich Callenberg (1694-1760) wuchs die Bibliothek stetig an. Der Jurist Johann Samuel Stryk (1668-1715), der Orientalist Christian Benedict Michaelis (1680-1764) und der Theologe und Slawist Heinrich Milde (1676-1739) hinterließen ihre Sammlungen der Bibliothek. Mit der Porträtsammlung Jacob Gottfried Böttichers kamen im Jahr 1756 13.000 Kupferstich- und Holzschnittporträts hinzu. Gelehrte, weltliche und geistliche Würdenträger und einige wenige Damen vornehmlich des 16. - 18. Jahrhunderts sind dargestellt. Im Jahre 1792 wurde die Bibliothek des Institutum Judaicum et Muhamedicum mit der Bibliothek des Waisenhauses vereinigt und 1811 kam ein Teil der Bücher aus dem Benediktiner-Kloster Berge bei Magdeburg in die Stiftungen. Eine bedeutende Schenkung des 19. Jahrhunderts war die Bibliothek des Geologen und Mineralogen Christian Keferstein (1784-1866) mit 2.041 Bänden. Durch die Aufnahme des Buchbestands der Lateinischen Hauptschule "Latina" in die Bibliothek bestand seit 1834 erstmals auch ein eigener Etat, mit dem eine planmäßige Erweiterung des Bestandes möglich wurde. Sie orientierte sich an den Interessen einer modernen Schüler- und Lehrerausbildung. Zusätzlich entstand im Austausch mit halleschen Schulen und auswärtigen Lehranstalten eine Sammlung von Schulprogrammen.
Den Zweiten Weltkrieg überstand die Sammlung ohne nennenswerte Verluste im ehemaligen Salzbergwerksstollen bei Bösenburg. Nach Auflösung der Stiftungen 1946 wurde die Bibliothek der Pädagogischen Fakultät zugeordnet und 1952 der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt unterstellt. Die bis dato noch selbständig in den Stiftungen existierenden Sondersammlungen, wie die Bibliothek der Ostindischen Missionsanstalt, die Archivbibliothek des Waisenhaus-Verlags, die Lehrerbibliothek und die Cansteinsche Bibelsammlung, wurden der Bibliothek zugeordnet. Ab 1955 übernahm Jürgen Storz (1927-2002) die Leitung der Bibliothek und des Archivs der Franckeschen Stiftungen. Leider konnten bis 1992 kaum Bücher gekauft werden. Erst mit der Wiederherstellung der Franckeschen Stiftungen erfuhr die dreihundertjährige Bibliothek mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft wieder eine ernsthafte Förderung. Wenn möglich, wird der Altbestand ergänzt. So wurde eine Sammlung Gesangbücher erworben und die Bibliothek des Theologen Friedrich August Tholuck (1799-1877) ist als Dauerleihgabe des Tholuck-Konvikts Teil der Bibliothek geworden.
In den Jahren 1996 bis 1998 wurde das historische Gebäude restauriert. Einbauten des 19. und 20. Jahrhunderts konnten entfernt werden, so dass die originale Erscheinung des 18. Jahrhunderts – wie sie auch auf dem Exlibris der Bibliothek zu sehen ist – wieder zum Vorschein gekommen ist. Im Erdgeschoss befinden sich heute ein Lesesaal zur Nutzung der Archiv- und Bibliotheksbestände und – stetig wachsend – eine moderne Forschungsbibliothek. Ein moderner Glasbau ist Verbindung zu Katalograum und Cafeteria im Nachbargebäude.
Literatur:
Brigitte Klosterberg: Die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen. Fotografien von Klaus E. Göltz. Halle 2007.