Die Satzung der Franckeschen Stiftungen
Präambel
Im Jahre 1695 gründete der Theologe und Pädagoge August Hermann Francke (1663-1727), dessen Persönlichkeit von pietistischer Frömmigkeit, unternehmerischer Tatkraft und einem starken sozialen Engagement geprägt war, in Halle an der Saale eine Armenschule und ein Waisenhaus. Im Jahre 1698 wurden die Franckeschen Stiftungen durch Privileg des Kurfürsten von Brandenburg errichtet. Dank Franckes Ideenreichtums und seines organisatorischen Talents kamen in den folgenden drei Jahrzehnten weitere Einrichtungen pädagogischer, wissenschaftlicher und sozialer Art hinzu. Finanziert durch Stiftungen aus dem In- und Ausland und gestützt durch eigene Gewerbebetriebe gewannen die Franckeschen Stiftungen ein hohes Ansehen in Deutschland und im europäischen Ausland.
Über 250 Jahre lang entfalteten die Franckeschen Stiftungen trotz wechselvoller Zeitläufe eine beständige und segensreiche Tätigkeit. Sie überstanden auch die Schwierigkeiten in der Zeit des Nationalsozialismus. Erst eine atheistische Partei- und Staatsmacht unterbrach diese Tradition, indem sie im Widerspruch zum Stifterwillen und gegen den Protest der Evangelischen Kirche die rechtliche Selbständigkeit der Stiftungen aufhob und ihre inhaltliche Arbeit zum Erliegen brachte.
Im Jahre 1990, durch die Wiedervereinigung Deutschlands begünstigt, gründete sich ein Freundeskreis, um die Franckeschen Stiftungen wieder wirksam werden zu lassen. Unterstützt von der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen gelang es, durch einen Rechtsakt der demokratisch gewählten Regierung des Landes Sachsen-Anhalt, die stiftungsrechtliche Selbständigkeit wieder herzustellen. Die Franckeschen Stiftungen wurden unter Wahrung ihrer Rechtskontinuität als öffentlich-rechtliche Stiftung anerkannt und durch Beschluss des Landes Sachsen-Anhalt vom 13. Juli 1993 wieder mit Eigentum ausgestattet.
Mit dem Ziel, die Einrichtungen der Franckeschen Stiftungen im Sinne ihres Stifters wieder mit Leben zu erfüllen und sie auch organisationsrechtlich den veränderten Bedingungen anzupassen, trat an die Stelle des Reglements von 1832 die Satzung von 1992, die nach elf Jahren Aufbauarbeit die folgende neue Fassung erhält.
§1 Rechtsform, Name und Sitz
(1) Die Stiftung trägt den Namen »Franckesche Stiftungen«.
(2) Die Stiftung hat ihren Sitz in Halle an der Saale.
(3) Die Stiftung ist als Stiftung öffentlichen Rechts im Stiftungsregister des Landes Sachsen-Anhalt eingetragen.
§ 2 Stiftungszweck
(1) Die Franckeschen Stiftungen und ihre Organe verstehen sich in ihrer Gesamtheit wie in ihren einzelnen Arbeitszweigen, unabhängig von ihrer Rechtsform, als eine im Sinne ihres Stifters vom christlichen Geist geprägte Einrichtung, die Menschen aller Schichten aus dem In- und Ausland eine umfassende Bildung und die Fähigkeit zum sozialen Handeln vermitteln will. Sie bewahren das historische Erbe im Blick auf die Gestaltung der heutigen und künftigen Lebensverhältnisse. Darüber hinaus nehmen die Franckeschen Stiftungen ihren kulturellen und wissenschaftlichen Auftrag gegenüber der Allgemeinheit wahr und leisten ihren Beitrag zu einer kulturellen Bildung.
(2) Zur Erfüllung des Stiftungszweckes unterhalten die Franckeschen Stiftungen entsprechend ihren Traditionen pädagogische und soziale, wissenschaftliche und kulturelle Einrichtungen, die unter Berücksichtigung der Nutzung der Öffentlichkeit zugänglich sind.
(3) Die Franckeschen Stiftungen verwalten die zu ihrem Stiftungsvermögen gehörenden Liegenschaften entsprechend ihrer kulturhistorischen und denkmalpflegerischen Bedeutung. Die Nutzung der Gebäude hat dem Stiftungszweck gemäß Abs. 1 zu entsprechen.
(4) Die Anerkennung eines rechtlich selbständigen Arbeitszweiges als Einrichtung der Stiftung setzt voraus, dass er sich im Rahmen des Stifterwillens hält und sein Betreiben finanziell gesichert ist.
(5) Die Franckeschen Stiftungen verfolgen ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts Steuerbegünstigte Zwecke der Abgabenordnung. Sie sind selbstlos tätig und verfolgen nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Die Mittel der Stiftungen dürfen nur für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden. Die Stiftungen dürfen niemanden durch Ausgaben, die dem Zweck der Stiftung fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen. Die Franckeschen Stiftungen sind als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anerkannt.
§ 3 Stiftungsvermögen
(1) Das Stiftungsvermögen umfasst derzeit die zentrale Liegenschaft der Franckeschen Stiftungen mit ihren Gebäuden in Halle an der Saale mit Ausnahme der Flächen, die noch nicht rückübertragen wurden, ferner den Streubesitz in und außerhalb von Halle, insbesondere das ehemalige Gut Stichelsdorf (Gemeinde Peissen).
(2) Zum Stiftungsvermögen gehören die Bibliothek, das Archiv und die kunst- und kulturgeschichtlichen Sammlungen, die vor 1946 Eigentum der Stiftungen waren bzw. seit 1992 erworben wurden.
(3) Das Stiftungsvermögen ist in seinem Bestand zu erhalten. Eine Veräußerung von Liegenschaftsvermögen ist nur insoweit zulässig, als es sich um Grundstücke handelt, die nicht zum denkmalgeschützten historischen Kernbestand der Stiftung gehören. Erlöse aus der Veräußerung sind dem Vermögen wieder zuzuführen, es sei denn, für die Stiftung existenziell notwendige Vorhaben lassen sich nur unter Einsatz dieser Erlöse sichern.
(4) Zur Vermehrung des Stiftungsvermögens werden Zustiftungen angestrebt. Sie bedürfen der Zustimmung der Stiftungsbehörde.
§ 4 Stiftungsmittel
(1) Die Stiftung finanziert ihre Aufgaben aus
1. Erträgen des Stiftungsvermögens
2. Zuwendungen der Bundesrepublik Deutschland, des Landes Sachsen-Anhalt und der Stadt Halle
3. sonstigen Zuwendungen, Spenden und eigenen Einnahmen, wie Entgelte und Gebühren.
(2) Ein Inflationsausgleich beim Stiftungsvermögen muss nicht erfolgen.
§ 5 Stiftungsorgane
Organe der Stiftungen sind:
- das Kuratorium (§ 6)
- der Vorstand (§ 7)
- der Freundeskreis (§ 9)
§ 6 Kuratorium
(1) Das Kuratorium als oberstes Organ der Franckeschen Stiftungen besteht aus mindestens 12, höchstens 16 Mitgliedern. Je ein Mitglied entsenden
- die Europäische Union
- die Bundesrepublik Deutschland
- das Land Sachsen-Anhalt
- die Stadt Halle an der Saale
- die Evangelische Kirche in Deutschland
- die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen
- die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
- der Freundeskreis der Franckeschen Stiftungen.
Das Land Sachsen-Anhalt, die Stadt Halle und die Kirchenprovinz Sachsen können jeweils ein zweites Mitglied benennen.
Für jedes entsandte Mitglied ist ein/e Vertreter/in zu benennen. Dieser nimmt für den Fall der Verhinderung des Mitgliedes an der Sitzung teil.
Weitere Mitglieder des Kuratoriums werden unter Berücksichtigung der Vielfalt der Aufgabenfelder der Stiftung von diesem für eine Amtszeit von fünf Jahren kooptiert. Gehört der/die Vertreter/Vertreterin der Martin-Luther-Universität nicht der Theologischen Fakultät an, so sollte ein/e Angehöriger/Angehörige dieser Fakultät in das Kuratorium kooptiert werden.
(2) Der/Die Direktor/in und sein/seine/ihr/ihre Stellvertreter/in nehmen an den Sitzungen mit beratender Stimme teil.
(3) Die entsandten Mitglieder des Kuratoriums gehören diesem bis zur Entsendung eines neuen Mitgliedes an. Verlängerungen der Amtszeit der kooptierten Kuratoriumsmitglieder um jeweils weitere 5 Jahre ist möglich.
(4) Das Kuratorium wählt aus seiner Mitte den/die Vorsitzenden/e und den/die stellvertretenden/e Vorsitzenden/e. Seine Amtszeit beträgt fünf Jahre. Wiederholte Wiederwahl ist möglich. Das Kuratorium tritt mindestens zweimal jährlich zusammen.
(5) Das Kuratorium ist beschlussfähig, wenn einschließlich des/der Vorsitzenden mindestens sieben Mitglieder oder ihre bestellten Vertreter/Vertreterinnen anwesend sind. Es trifft seine Entscheidungen mit Stimmenmehrheit, sofern in der Satzung nichts anderes vorgesehen ist. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des/der Vorsitzenden. Beschlüsse können auch im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst werden, wenn alle Mitglieder im Einzelfall ihre Zustimmung dazu geben.
(6) Das Kuratorium beschließt alle grundsätzlichen Angelegenheiten der Stiftung. Es entscheidet insbesondere über
- die Grundsätze der Stiftungsarbeit
- die Übernahme, Wahrnehmung und Beendigung von Aufgaben durch einzelne Einrichtungen der Stiftung
- den Haushalts- und Stellenplan der Stiftung
- die Berufung und Abberufung des Vorstandes
- die Wahl des/der stellvertretenden Direktors/Direktorin
- Einstellung und Höhergruppierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von der Vergütungsgruppe I b BAT-O an
- Entlastung des Vorstandes auf der Grundlage der Rechnungsprüfung gemäß § 11 Abs. 3
- Vermögens- und Grundstücksangelegenheiten
- Einräumung von Erbbaurechten
- Annahme von Zustiftungen
- die Angelegenheiten, die ihm der Vorstand zur Beschlussfassung vorlegt.
(7) Das Kuratorium kann einen Ständigen Ausschuss bilden, der den/die Direktor/in in allen wichtigen Angelegenheiten berät. Ihm gehören mindestens drei, höchstens fünf Kuratoriumsmitglieder an. Der/Die Direktor/in lädt zu den Sitzungen ein.
(8) Näheres regelt eine Geschäftsordnung, die das Kuratorium mit einfacher Stimmenmehrheit erlässt.
§ 7 Vorstand
(1) Der Vorstand besteht aus dem/der Direktor/in.
(2) Die Stelle des/der Direktors/in ist bundesweit auszuschreiben. Für die erste Amtszeit von sechs Jahren gilt derjenige/diejenige als zum/zur Direktor/in und Vorstand bestellt, der/die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung der Satzung das Amt des/der Direktors/in nach § 4 Abs. 1 der Satzung in der Fassung von 1992 innehat.
(3) Der/Die Direktor/in hat eine Amtszeit von sechs Jahren. Mehrmalige Wiederwahl ist möglich. Im Falle der Wiederwahl bedarf es keiner neuen Ausschreibung.
(4) Der/Die Direktor/in leitet die Stiftung hauptberuflich, im Falle der Verhinderung der/die stellvertretende Direktor/in. Er/Sie hat die Entscheidungs- und Handlungsbefugnis und trägt die Verantwortung in allen Angelegenheiten des Stiftungslebens, soweit nicht ein anderes Stiftungsorgan zuständig ist. Einen feststellenden und ergänzenden Aufgaben- und Befugniskatalog für den Vorstand kann das Kuratorium beschließen.
(5) Der/Die Direktor/in nimmt die Rechtsvertretung der Stiftung nach außen wahr.
(6) Der/Die Direktor/in wird in seiner/ihrer Arbeit von dem/der stellvertretenden Direktor/in unterstützt.
(7) Der/Die Direktor/in bereitet die Beschlüsse des Kuratoriums vor. Er/Sie hat Berichtspflicht gegenüber dem Kuratorium.
§ 8 Personal
Die für den öffentlichen Dienst des Landes Sachsen-Anhalt geltenden Vorschriften sind auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuwenden. Für die Einstellung von Beamten wird die Dienstherrenfähigkeit angestrebt.
§ 9 Freundeskreis
(1) Zur ideellen und finanziellen Förderung der Stiftungen trägt der Freundeskreis der Franckeschen Stiftungen bei. Er hat die Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Jede natürliche und juristische Person des In- und Auslandes kann Mitglied des Freundeskreises werden.
(2) Der/Die Direktor/in ist von Amts wegen Mitglied des Vorstandes des Freundeskreises. An den Vorstandssitzungen nimmt auch der/die stellvertretende Direktor/in teil.
(3) Die Mitglieder des Freundeskreises erhalten den Jahresbericht der Stiftungen und haben Anspruch darauf, zu den öffentlichen Veranstaltungen eingeladen zu werden.
§ 10 Forum
(1) Die in den Stiftungen vertretenen Einrichtungen und Betriebe sind in einem Forum zusammengeschlossen. Es soll das Gemeinschaftsbewusstsein innerhalb der Stiftung stärken und dient der gegenseitigen Information, der Organisation gemeinsamer Arbeitsvorhaben und der Koordinierung der Öffentlichkeitsarbeit aller Einrichtungen der Stiftung.
(2) Jede Einrichtung in den Franckeschen Stiftungen wirkt durch ihren/ihre Leiter/in im Forum mit. Er/Sie kann sich vertreten lassen.
(3) Der/Die Direktor/in leitet das Forum. Näheres bestimmt eine Geschäftsordnung, die das Forum auf Vorschlag des Vorstandes beschließt.
§ 11 Verwaltung, Rechnungsprüfung
(1) Für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen sowie für die Rechnungslegung der Stiftung gelten die einschlägigen Vorschriften für die Landesverwaltung entsprechend.
(2) Die Verwaltung geschieht nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung. Der Haushaltsplan wird für jeweils ein oder zwei Jahre aufgestellt. Er muss in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sein und wird auf Vorschlag des Vorstandes vom Kuratorium beschlossen.
(3) Die Jahresrechnung wird gemäß § 109 Abs. 2 der Landeshaushaltsordnung durch den Landesrechnungshof geprüft.
§ 12 Dienstsiegel
Die Stiftung führt ein Dienstsiegel mit dem Namen und dem Signet der Stiftung.
§ 13 Stiftungsaufsicht
Stiftungsbehörde ist das für die Kultur zuständige Ministerium des Landes Sachsen-Anhalt.
§ 14 Satzungsänderungen
Änderungen der Satzung bedürfen der Zustimmung aller entsandten Mitglieder des Kuratoriums sowie der Genehmigung der Stiftungsbehörde.
§ 15 Auflösung
Der Beschluss über die Selbstauflösung der Stiftung bedarf der Zustimmung aller entsandten und von mindestens der Hälfte der kooptierten Mitglieder des Kuratoriums. Der Beschluss wird erst mit der Genehmigung durch die Stiftungsbehörde wirksam.
§ 16 Inkrafttreten
Diese Satzung ersetzt die Fassung vom 22. Oktober 1992 und tritt nach der Genehmigung durch die Stiftungsbehörde zum 1. Juni 2003 in Kraft.
(vom Kuratorium der Franckeschen Stiftungen in der Sitzung am 6. April 2005 beschlossene Fassung)