Der »Medicus Malabaricus« von 1712
Medizin und Mission im globalen Kontext
Medizin und Mission im globalen Kontext
Die im Archiv der Franckeschen Stiftungen überlieferte Handschrift stellt eine medizin-, pharmazie- und missionsgeschichtlich herausragende Quelle der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dar. Ihre Erschließung und Edition soll im Rahmen eines von der Stabsstelle Forschung koordinierten Projekts gemeinsam mit dem Zentrum für Wissenschaftsforschung der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften sowie einem internationalen und interdisziplinären Team von WissenschaftlerInnen geleistet werden.
Der im Rahmen der Dänisch-Halleschen Mission in Tharangambadi in Südindien aktive Missionar Johann Ernst Gründler (1677–1720) hat in Zusammenarbeit mit einem indischen Schreiber und einem Brahmanen vor Ort medizinisches und pharmazeutisches Wissen aus unterschiedlichen Textquellen gesammelt, übersetzt und zusammengestellt. Die daraus resultierende Handschrift trägt den Titel »Medicus Malabaricus« und datiert auf das Jahr 1712. Das Manuskript umfasst 186 beschriebene Seiten, wovon 33 Seiten auf eine Vorrede sowie 19 Seiten auf ein Wörterverzeichnis entfallen. Der Hauptteil von 132 Seiten versammelt in zwei Abschnitten Wissen zu Krankheiten (Ursachen, Diagnosen, Behandlungsstrategien) und Arzneimitteln (Zusammensetzung, Anwendung).
Das Manuskript wurde von Gründler nach Europa, genauer nach Halle, an die mit der Dänisch-Halleschen Mission verbundenen Glauchaschen Anstalten gesendet. Die Handschrift hat eine herausragende Bedeutung für die Bewahrung des medizingeschichtlichen autochthonen Kulturguts Indiens wie auch für den südostasiatisch-europäischen Wissenstransfer und stellt eine singuläre medizinhistorische Quelle dar.
Derzeit befindet sich an der Stabsstelle Forschung ein Projekt im Aufbau, das sich der interdisziplinären Erschließung, Edition sowie weiterführenden Erforschung des »Medicus Malabaricus« widmen wird. Hierzu wurde im September 2021 in Kooperation mit dem Zentrum für Wissenschaftsforschung der Leopoldina ein Workshop durchgeführt, bei dem internationale WissenschaftlerInnen verschiedener Fachdisziplinen erste grundlegende Aspekte zur Quelle zusammentrugen und diskutierten. Im April 2022 stellte Holger Zaunstöck in seinem Vortrag »Der Medicus Malabaricus von 1712 – Überlegungen und Perspektiven zu einer digitalen, kommentierten und interdisziplinär kontextualisierten Edition« den aktuellen Stand der Forschungen zur Quelle und der Projektplanung im Forschungskolloquium des Zentrums für Wissenschaftsforschung der Leopoldina vor. Dabei standen die Praktiken der Wissensgenerierung bei der Entstehung des Manuskripts im Fokus.
In den »Digitalen Sammlungen« der Franckeschen Stiftungen, unter der Rubrik »Handschriften/Autographen«, sind ein Digitalisat des »Medicus Malabaricus« sowie weitere Informationen zur Quelle einsehbar.