Die Objekte aus Borneo in der Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen

Die Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen wurde in den Jahren 1736–41 konzipiert und gestaltet. Sie ist an ihrem originalen Ort im Unterdach des Mansarddaches des Historischen Waisenhauses zu besichtigen. Die Kammer ist für die Museumsgeschichte außerordentlich bedeutend als einzig erhaltene Wunderkammer bürgerlichen Ursprungs aus der Frühen Neuzeit mit komplettem Setting (Objekte, Schränke, Raum, Ordnung, Inventare, Instruktionen). In Anknüpfung an die pietistischen Missionsaktivitäten des 18. Jahrhunderts in Südindien, entschloss sich der Stiftungsdirektor Hermann Agathon Niemeyer (1802–1851), Heinrich Julius Berger (1800–1845) und Johann Michael Carl Hupe (1818–1861) als Missionare über das Rheinische Missionswerk nach Borneo zu entsenden. Auftrag dabei war ausdrücklich auch – anknüpfend an die Praktiken des Zusammentragens von Artefakten und Naturalien durch Hallesche Missionare im 18. Jahrhundert in Südindien – Objekte zu akquirieren und nach Halle zurückzusenden. Die Nutzungsintention dabei war, diese als öffentlich sichtbaren Beleg für die Fortsetzung der Missionsaktivitäten im Ensemble der Kunst- und Naturalienkammer auszustellen. Dazu wurde ein neuer Schrank für die Objekte angefertigt. In diesem sowie in den Außenbereichen an den Wänden wurden (und werden) ca. 110 Objekte aus Borneo gezeigt, die in den 1840er Jahren nach Halle gesandt worden sind. Die Kammer stand von Beginn an Besuchenden offen, sie war als Museum zugänglich.

Das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderte Projekt ist ein Beitrag zum Forschungsfeld ›Wissen und Objekte aus kolonialen Kontexten‹ für die Zeit vor 1884. Es leistet einen Beitrag zur historischen Tiefenstruktur des Verhältnisses von Kolonialismus, Mission und Sammlungspraktiken, das Anschlüsse an die entsprechenden Aktivitäten des 18. Jahrhunderts über eine institutionelle Kontinuität im 19. Jahrhundert in den Blick nimmt. Das Projekt verfolgt das Ziel, die Provenienzen der Objekte zu analysieren, ihre ursprünglichen Zwecke zu bestimmen bzw. vorliegende Angaben dazu zu prüfen und zu erweitern sowie die Nutzung und Umdeutung der Objekte in Halle zu beschreiben. Zudem kommen die Darstellung der Herkunftsgesellschaften sowie die Frage in den Blick, ob die Menschen auf Borneo selbst zu Wort kommen, ob ihre Stimme hörbar wurde und wenn ja, in welcher Form und in welchem Duktus dies geschah? Eine Zusammenarbeit mit Institutionen insbesondere der Region Sarawak ist geplant. Aus dem Projekt soll eine digitale Ausstellung hervorgehen, die die Forschungsergebnisse transparent, verständlich, mehrsprachig und frei zugänglich macht.

Ankündigung »Digitaler Workshop zum Borneo-Projekt in der Kunst- und Naturalienkammer«

2. April 2025, 9 Uhr

Der öffentliche und internationale Workshop wird Experten und Wissen aus verschiedenen Instituten in Deutschland, England und Borneo zusammenführen. Es werden einzelne Themen und Fragestellungen zu Sammlungsobjekten im Hinblick auf ihre ursprüngliche Bedeutung und Verwendung sowie ihre Relevanz für die Sammlungsgeschichte Borneos diskutiert.

Das Programm des Workshops wird an dieser Stelle veröffentlicht.

Es wird um Anmeldung bei Giulia Speciale gebeten.

Kontakt: speciale(at)francke-halle.de

Vortrag auf der 13. EuroSEAS Konferenz (23–25. Juli 2024, Universiteit van Amsterdam)

Giulia Speciale und Jutta Kelling (FernUni Hagen) stellten in einem Vortrag mit dem Titel »Exploring the cultural heritage of Borneo through objects from the Cabinet of Artefacts and Natural Curiosities of the Francke Foundations in Germany« das im November 2023 angelaufene Provenienzprojekt zu den aus Borneo stammenden Objekten in der Kunst- und Naturalienkammer vor.

In dem Panel »Memories, objects, art: disrupting colonial narratives on Borneo’s cultural heritage« kamen Experten verschiedenster Institute zusammen, die über Sammlungen und Exponate aus Borneo berichteten. Die 1992 gegründete Vereinigung EuroSEAS organisiert im Zweijahresrhythmus eine internationale Konferenz, die Südostasienexperten verschiedenster Disziplinen zusammenbringt.

Interdisziplinärer Auftaktworkshop in den Franckeschen Stiftungen am 1. Februar 2024

Zum Auftakt des im Dezember 2023 gestarteten Forschungsprojektes »Die aus Borneo stammenden Objekte in der Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen« fand ein interdisziplinärer Workshop statt, der Expertinnen und Experten der Stiftung Schloss Friedenstein (Gotha), des Weltkulturen Museums (Frankfurt am Main), der Archiv- und Museumsstiftung der Vereinten Evangelischen Mission (Wuppertal), der Fernuniversität Hagen sowie von verschiedenen Forschungseinrichtungen in Halle zu einem ersten Austausch zusammenbrachte. Diskutiert wurde über Perspektiven, aktuelle Konzepte, Erfahrungen und Vernetzungen zum Thema. 

Konzeption und Leitung: Jutta Kelling, Giulia Speciale und Holger Zaunstöck

Weitere Informationen und Programm