Rundgang durch das Kulturdenkmal

300 Jahre Bildung in einer einzigartigen Architekturlandschaft

Die Franckeschen Stiftungen zu Halle haben eine einzigartige Geschichte. Galten sie im 18. Jahrhundert als eine der bedeutendsten Bildungseinrichtungen in Deutschland, erlebten sie nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 eine beispiellose Rettungsaktion. Die historische Bausubstanz war erhalten, allerdings in einem bedauernswerten Zustand. Das großartige Engagement vieler Menschen hat es ermöglicht, der Architektur ihren alten Glanz zurückzugeben und den Franckeschen Stiftungen als Bildungskosmos wieder ein Zuhause zu geben. Sie sind eingeladen zu einem spannenden Spaziergang durch Geschichte und Gegenwart!

Die Fassade des Historischen Waisenhauses

Historisches Waisenhaus

Haus 1

Das Historische Waisenhaus erstrahlt heute wieder so prächtig wie einst vor 300 Jahren. Zu DDR-Zeiten hatte man es jahrzehntelang vernachlässigt, bis es zum Schluss durchs Dach bis hinunter ins Erdgeschoss regnete und der Bau zusammenzustürzen drohte. In einer beispiellosen Sanierungsaktion konnte das Waisenhaus in den Jahren 1993–95 gerettet werden. Heute ist es als herausragendes Kulturdenkmal wieder weithin erkennbar.

Der Lindenhof

Vom Waisenhaus ausgehend wuchsen zwischen 1701 und 1748 in östlicher Richtung auf längsrechteckigem Grundriss die beeindruckenden Fachwerk- und Steinbauten der Schulstadt August Hermann Franckes (1663–1727) in die Höhe. Zwischen dem Waisenhaus im Westen und dem Königlichem Pädagogium im Osten setzten die heute vollständig erhaltenen Gebäude Standards in der Geschichte der Bildungsarchitektur, darunter das Lange Haus als größter Fachwerkwohnhausbau Europas, der älteste erhaltene profane Bibliotheksbau Deutschlands und die erste Bibelanstalt der Welt. Repräsentation und Funktionalität wurden so geschickt verbunden, dass ohne größere Umbaumaßnahmen Schulräume zu Wohnräumen, Labore zu Wirtschafts- oder Archivräumen werden konnten. Entdecken Sie hier in einem kleinen Rundgang die Gebäude und ihre Geschichte(n).

Ansicht der Franckeschen Stiftungen von Norden mit der ehemaligen Waisenknabenanstalt

Waisenknabenanstalt

Haus 2–4

1732–1734 wurde das großzügige Gebäude mit Wohn- und Lehrräumen für die Waisenknaben errichtet. Der solide Steinbau, große Fenster und lichte Räume repräsentieren das innovative, international ausstrahlende Waisenfürsorgekonzept Franckes.

Ansicht des Fachwerkgebäudes der Knabenwaisenanstalt und des Neuen Mägdeleinhauses am Lindenhof

Neues Mägdeleinhaus

Haus 5–7

Ab 1717 diente das Gebäude als Back- und Brauhaus der Versorgung der Schulstadt. Mit der ansteigenden Zahl der Waisenmädchen wurden hier nach grundlegendem Umbau (1741–1744) Lehr- und Wohnräume für Waisenmädchen geschaffen.

 

Ansicht des größten Fachwerkwohnhausbaus Europas, des Langen Hauses am Lindenhof

Langes Haus

Haus 8–13

Im größten Fachwerkwohngebäude Europas, errichtet zwischen 1713 und 1716, lebten und lernten Studenten der Theologie und Schüler der Lateinischen Schule. Mit 115 m Länge, der Rasterfassade und dem schlichten Erscheinungsbild ist es für die Zeit des Barock einzigartig.

 

 

 

Ansicht des Schulgebäudes der Grundschule Maria Montessori im Gebäudekomplex des Königlichen Pädagogiums

Königliches Pädagogium

Haus 19

Kinder aus adligen und wohlhabenden bürgerlichen Familien erhielten in der 1697 gegründeten Schule mit Internat eine umfassende Ausbildung, die sie auf ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen vorbereitete. Die Schule zählte zu den besten Preußens im 18. Jahrhundert.

 

Ansicht des Ökonomiegebäudes am oberen Lindenhof

Ökonomiegebäude

Haus 21

Ursprünglich diente das 1747–1748 errichtete Gebäude als Speisesaal für ausgewählte Zöglinge der Lateinischen Schule. Ab 1816 wurde es bereits als Kassen- und Verwaltungsgebäude der Stiftungen genutzt.

 

Ansicht des Gebäudes der Historischen Bibliothek am Lindenhof

Historische Bibliothek

Haus 22

1726–1728 erhielt die Bibliothek des Halleschen Waisenhauses ein neues Gebäude, das heute als ältester erhaltener freistehender profaner Bibliothekszweckbau Deutschlands gilt. Die in dem Raum stehenden Bücherregale sparten Platz und gaben der Bibliothek den Namen Kulissenbibliothek.

 

Ansicht des Gebäudes der ehemaligen Cansteinschen Bibelanstalt am Lindenhof

Cansteinsche Bibelanstalt

Haus 23–24

1710 gründete Carl Hildebrand von Canstein (1667–1719) am Halleschen Waisenhaus die erste Bibelanstalt der Welt. Bis 1938 wurden hier rund 10 Millionen Bibeln im handlichen Format gedruckt und weltweit kostengünstig vertrieben. 1727–1735 entstand dieses Gebäude für die Druckerei und Verwaltung der Anstalt.

Ansicht des Fachwerkgebäudes des Mägdeleinhauses

Altes Mägdeleinhaus

Haus 25

Das 1709–1710 errichtete Mägdeleinhaus steht für die Bemühung Franckes um die Institutionalisierung der Mädchenbildung. Die Mädchenwaisenanstalt und die Deutsche Mädchenschule waren hier untergebracht.

Ansicht von der Häuserzeile am Schwarzen Weg mit Haus 26 (Englisches Haus) in der Mitte.

Englisches Haus

Haus 26

1709–1710 wurde das Haus dank großzügiger Spenden der englischen Queen Anne (1665–1714) vornehmlich für die Schüler aus England errichtet. Es zeigt die internationale Ausstrahlung des Halleschen Pietismus und den exzellenten Ruf der Stiftungsschulen. Im Erdgeschoss des Gebäudes waren zu Beginn in direkter Nachbarschaft zum Speisesaal die Mehlkammer, die Backstube und das Backhaus, untergebracht.

Der Speise- und Singesaal

Haus 27

Im Erdgeschoss des 1710–1711 errichteten Gebäudes wurden im Speisesaal Zöglinge, Freitischler, Studenten, Lehrer und Angestellte verpflegt. Mehr als 3000 Menschen zählte die Schulstadt im Jahr 1727. Der große Versammlungssaal im Obergeschoss des Gebäudes wurde gleichermaßen für geistliche und weltliche Veranstaltungen genutzt und war als Andachtsraum Vorbild für zahlreiche protestantische Versammlungshäuser. Mittwochs und samstags wurde hier zu öffentlichen Singestunden eingeladen.

Ansicht des Wohnhauses August Hermann Franckes am Eingang auf das Gelände der Franckeschen Stiftungen

Francke-Wohnhaus

Haus 28

1702 bezog August Hermann Francke mit seiner Familie das Gebäude des ehemaligen Gasthofs »Zur goldenen Rose« aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Von hier aus leitete er bis zum Umzug 1715 in das Pfarrhaus der Ulrichskirche im Stadtzentrum den Aufbau der Franckeschen Stiftungen.

Die Wirtschaftsgebäude der Schulstadt

Bis zu 3.000 Kinder und Erwachsene wurden in ihrem Alltag in der Schulstadt Franckes verpflegt. Die Regeln dafür legte der Stiftungsgründer selbst in einer Speiseordnung fest, die in den Kleinen Texten im Verlag der Franckeschen Stiftungen erschienen und im Infozentrum erhältlich ist. Das Frischwasser, die landwirtschaftlichen Güter und die kleine Meierei auf dem Stiftungsgelände trugen zu einem beinahe autarken Versorgungsystem bei. Im ehemaligen Brau- und Backhaus ist bis heute der Ofen erhalten, in dem mehrmals in der Woche das Brot für die Schulstadt gebacken wurde. Wäscherei, Viehställe und Scheunen erzählen heute vom regen Treiben auf dem Gelände, um den Schulunterricht abzusichern, die Gesundheit der BewohnerInnen zu schützen, die laufenden Erweiterungen der Gebäude möglich zu machen und die Gäste und BesucherInnen willkommen zu heißen.     

Ansicht der Theologischen Fakultät im ehemaligen Niederlagegebäude

Niederlagegebäude

Haus 30

Der 1698 gegründete Verlag des Waisenhauses publizierte in hohen Auflagen neben Erbauungsschriften bis in das 20. Jahrhundert hinein deutschlandweit anerkannte Lehrbücher. Das 1732 errichtete Gebäude diente als Bücher- und Papiermagazin.

Ansicht der Großen Scheune von Süden. Der mit dunklem Holz verkleidete Giebel lässt das große, weiße Gebäude leuchten. nem holzverkleideten Giebel

Große Feldscheune

Haus 32

Diese Doppelquertenne aus dem Jahr 1724 ist in Fachwerkbauweise errichtet und Teil des ehemaligen Landwirtschaftsbetriebs der Franckeschen Stiftungen. Sie gehört zu den am besten erhaltenen Gebäuden in der historischen Schulstadt und ist die älteste erhaltene Feldscheune in der Stadt Halle.

Ansicht des Vierseitenhofes der Historischen Meierei in den Franckeschen Stiftungen aus der Vogelperspektive.

Meierei mit Feldscheunen

Haus 33

Zur Versorgung der Kinder und Angestellten der Schulstadt wurde die Meierei im Süden des Geländes ab 1729 nahe bei den Gärten, aber abseits der Wohn- und Unterrichtsgebäude eingerichtet. Im Viehhof wurden Nutztiere gehalten. Die umliegenden Scheunen dienten zur Lagerung von Stroh und Getreide.

Ansicht des strahlend weißen, frisch sanierten Gebäudes der Kleinen Scheune vor blauem Himmel und im Schnee.

Kleine Scheune

Haus 34

2021 wurde das als Teil des Wirtschaftshofs der Franckeschen Stiftungen errichtete Gebäude umfangreich saniert und der Kulturstiftung des Bundes zur Nutzung übergeben. Die historische Bausubstanz konnte bei der Sanierung in großen Teilen erhalten werden. Die Schleppdächer wurden wieder mit den historischen Ziegeln gedeckt. Sie erinnern im Untergeschoss an die langjährige Nutzung der Kleinen Scheune als Lagergebäude. 

Ansicht des ehemaligen Wasch- und Schlachthauses der historischen Schulstadt Franckes, heute mit einem Glasanbau für den barrierefreien Fahrstuhl.

Wasch- und Schlachthaus

Haus 35

1718 wurde das Gebäude als Schlachthaus der Meierei sowie für die Wäscherei der Schulstadt errichtet. Francke legte von Beginn an besonderes Augenmerk auf sorgfältige Hygiene, dazu zählte neben der Frischwasserversorgung und externen Latrinen auch das wöchentliche Wechseln der Bettwäsche.

Blick in die Gasse zwischen den Häusern 37-39, 35a und 35

Stallungen der Meierei

Haus 35a

Zur Versorgung der Kinder und Angestellten der Schulstadt wurde die Meierei im Süden des Geländes ab 1729 nahe bei den Gärten, aber abseits der Wohn- und Unterrichtsgebäude eingerichtet. Im Viehhof wurden Nutztiere gehalten. Die umliegenden Scheunen dienten zur Lagerung von Stroh und Getreide.

Ansicht des ehemaligen Pächterhauses am Kirschgarten der Franckeschen Stiftungen

Pächterhäuser

Haus 36/36a

Das Wohnhaus für den Pächter des Landwirtschaftsbetriebes wurde ab 1718 errichtet. Ein Gebäudeteil diente als Wohnung, der andere zunächst als Viehstall. Ausgedehnte Gartenanlagen im Süden ergänzten den Versorgungsbereich um die Meierei.

Blick auf das Brau- und Backhaus nach der Sanierung. Hier sind die Geschäftsstelle und der Verlag der Franckeschen Stiftungen untergebracht.

Brau- und Backhaus

Haus 37–39

1738–1741 wurde das lange Gebäude in direkter Nachbarschaft zum Speisesaal als neues Brau- und Backhaus errichtet. Unterirdische Versorgungsgänge verbanden es mit der Küche in Haus 27 und mit den dahinterliegenden Gebäuden.

Die ehemalige Krankenanstalt der Schulstadt Franckes

Krankenanstalt

Haus 51

1721–1722 entstand in den Franckeschen Stiftungen das erste Kinderkrankenhaus Deutschlands. Vornehmlich für Anstaltszöglinge wurde das Krankenhaus vom Waisenhausarzt geleitet, der gleichzeitig Universitätsprofessor war und hier die systematische Medizinerausbildung am Krankenbett einführte.

Das frisch sanierte, helle Druckereigebäude leuchtet vor herbstlicher Kulisse.

Druckereigebäude

Haus 52–53

Das älteste erhaltene Druckereigebäude Halles wurde 1743 als Magazin für die Cansteinsche Bibelanstalt errichtet. Seit 1830 war hier auch die Druckerei der Bibelanstalt untergebracht, die 1884 mit der Waisenhausdruckerei zusammengelegt wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde dem Gebäude noch ein Trakt mit großen Maschinensälen angefügt. Hier sind mit modernen Rollregalanlagen heute Magazine für das Archiv, die Bibliothek und den Verlag untergebracht.

Ansicht des ehemaligen Gasthofes "Zum Raubschiff" im Eingangsbereich der Stiftungen

Gasthof zum Raubschiff

Franckeplatz 4-5

Das Gebäude aus der Mitte des 16. Jahrhunderts verkörpert die ursprüngliche Bebauung in Glaucha vor Halle, Franckes wichtigstem Wirkungsort. Francke erwarb den Gasthof mit separatem Ausspann für Fuhrleute und nutzte ihn für pädagogische und soziale Zwecke.

Die Bildungseinrichtungen des 19. und 20. Jh.

Ansicht des Hans Ahrbeck Hauses, das ehemalige Gebäude der Arbeiter- und Bauernfakultät (ABF)

Hans Ahrbeck Haus

Haus 31

1946 wurden die Franckeschen Stiftungen enteignet und der Martin-Luther-Universität zugeordnet. Für die erste Arbeiter- und Bauernfakultät in der DDR, ein Vorbereitungsseminar für das Hochschulstudium, entstand 1952–53 dieser Neubau.

Ansicht der Grundschule August Hermann Francke mit dem Schulhof

Realschule

Haus 40

Bereits in den Schulen Franckes war der Realienunterricht als Lehrmethode eingeführt worden. 1856–1857 entstand das erste Zweckgebäude für eine Realschule in Halle nach den Plänen Friedrich Wilhelm Ernst Steudeners (1803–1859).

Ansicht des nördlichen Schulgebäudes der Latina mit dem modernen Glasverbinder

Lateinische Hauptschule

Haus 42

1697 gründete Francke die Lateinische Schule zur Vorbereitung auf das Universitätsstudium. 1904–1906 erhielt die Schule ein eigenes Gebäude im wilhelminischen Stil. Nach einem schweren Bombentreffer 1945 wurde es für die Einrichtung der ersten Arbeiter- und Bauernfakultät der DDR grundlegend umgebaut.

Ansicht des Gebäudes der ehemaligen Oberrealschule

Oberrealschule

Haus 43

1913–1914 wurde die Oberrealschule errichtet, um der hohen Schülerzahl und den wachsenden Ansprüchen der naturwissenschaftlichen Fächer Raum zu geben. Das Gebäude auf unsicherem Baugrund wurde statt eines Fundaments mittels fest im Boden verankerter Betonpfeiler stabilisiert.

Anischt der Kita August Hermann Francke nach ihrer Eröffnung Anfang der 1990er Jahre.

Kindertagesstätte

Haus 48

Als erster Neubau der wiedergegründeten Franckeschen Stiftungen entstand 1993–1995 die Kindertagesstätte August Hermann Francke.

Ansicht der Gemeinschaftsschule im Süden des Geländes der Franckeschen Stiftungen

Gemeinschaftsschule

Haus 49

1978–1979 wurde das Schulgebäude mit einer Turnhalle als standardisierter DDR-Plattenbau des Typs Erfurt II zusammen mit den Wohnblöcken im Südosten des Geländes der Franckeschen Stiftungen errichtet.

Ansicht des Gebäudes der "Roten Schule"

Lyzeum

Haus 54

1896 erhielt die bereits bestehende höhere Mädchenschule ein eigenes Gebäude und führte so die von Francke eingeführte Mädchenbildung fort. Der Baukörper ganz im Zeitgeschmack aus roten Klinkern machte die Schule das Gebäude im Volksmund als "Rote Schule" bekannt.

Ansicht des Kindertageszentrums, in dem zwei Kitas und ein Kinderhort arbeiten

Kindertageszentrum

Haus 55–56

Das Kindertageszentrum wurde wie die umstehenden Wohnblöcke in Plattenbauweise als Kindertagesstätte für das umliegende Wohnviertel errichtet. 2003–04 wurde das Gebäude grundlegend modernisiert und erhielt ein zusätzliches Stockwerk.